Das Röhrenmeßgerät Funke W19 - Aufbau und Arbeitsweise

Kennlinienaufnahme

Die Aufnahme von Kennlinien ist mit dem W19 nicht möglich, wie jeder weiß. Dazu benötigt man das W20. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Karte 201. Offenbar lässt sich das W19 doch zur Kennlinienaufnahme verwenden. Aber wie soll das funktionieren?

K0201_820

In Band 14 findet sich auf der Seite 53 ein Hinweis zu dieser Karte. KF Müller hat sich mit dem Thema bereits befasst und sieht in der Karte 201 eine reelle Methode zur Kennlinienaufnahme. Ich bin da aber sehr skeptisch.

Scan_Seite53

Max beschreibt auf der Karte 201 die Vorgehensweise nur spärlich. Auch in der Bedienungsanleitung sucht man vergeblich nach weiteren Hinweisen. Vielleicht wollte er die Verkaufschancen für sein W20 nicht unnötig mindern. Deshalb hier eine detaillierte Beschreibung des Vorgangs.

Die Idee besteht einfach darin, der Röhre bei der Emissionsprüfung statt der konzeptionell vorgesehenen 0 V eine veränderliche Gitterspannung zuzuführen. Dazu müssen alle Prüfstifte wie auf der Originalprüfkarte eingesetzt werden. Die oben markierten Buchsen sind bei aufgelegter Prüfkarte aber nicht zugänglich. Also muss man die Stifte ohne Originalkarte einsetzen. Ich rate dabei zur Vorsicht.
Im Downloadbereich findet Ihr eine Schablone, mit der Ihr die Lochpositionen der Originalprüfkarte auslesen könnt.

Die beiden Lochungen der Karte 201 liegen über den Buchsen für G1 (-) und Kathode (+). Über diese Buchsen wird die veränderliche Gitterspannung zugeführt. Die Buchse “-” ist unmittelbar mit dem Steuergitter verbunden, die Buchse “+” mit der Kathode.

Die Gitterspannungsquelle sollte eine möglichst hohe Spannung liefern können, die man mit einem Potentiometer herunterteilen kann. Manche Endstufenröhren benötigen Gittervorspannungen von bis zu -100 V. Hier das Beispiel der Doppeltriode 6080. Ihr seht, welche Gitterspannungen da vonnöten sind.

Kennlinie6080_820

Ug-Ia-Kennlinienschar der 6080

Sockelschaltung6080_400

Sockel der 6080

Und da haben wir schon das erste Problem. In Schalterstellung 12 ist ein Gitterwiderstand von 2000 Ohm (1 Watt) angeschaltet. Wenn man dem Gitter tatsächlich -100 V zuführt, fließt über den internen Gitterwiderstand ein Strom von 100 V / 2000 Ohm = 50 mA. Das entspricht einer Leistung von 100 V * 50 mA = 5 W. Der interne Gitterwiderstand würde zerstört. Damit am Gitterwiderstand maximal 1 W Wärmeleistung frei wird, darf die Gitterspannung nicht über -44 V hinausgehen. Der Strom über den Gitterwiderstand beträgt dann 44 V / 2000 Ohm = 22 mA. Die Wärmeleistung errechnet sich mit 44 V * 22 mA = 0,968 W. Leider enthält die Karte 201 keinen Warnhinweis hierzu.

Röhren kann man leistungslos steuern wie jeder weiß. Bei Betrachtung des recht niedrig bemessenen Gitterwiderstands muss man an die Gitterspannungsquelle leider recht hohe Anforderungen stellen. Eigentlich müsste man schon von einer “Gitterstromquelle” sprechen. Sie muss bei -44 V immerhin 22 mA abgeben können. Die Verwendung eines Potentiometers zur Spannungswahl ist damit erschwert, weil dieser ebenfalls eine hohe Belastbarkeit haben muss.

Das Problem lässt sich aber leicht lösen. Man führt die Messungen zur Kennlinienaufnahme nicht wie auf der Karte 201 beschrieben in Schalterstellung 12 durch sondern in Schalterstellung 14. Der Unterschied zwischen den Schalterstellungen 12 und 14 besteht nur in dem angeschalteten Gitterwiderstand. Dieser beträgt in der Schalterstellung 14  1002 kOhm, welcher die Gitterspannungsquelle nur minimal belastet. Man kann das leicht nachprüfen, indem man am stromlosen W19 mit einem Multimeter den Widerstand zwischen den Buchsen G1 und K in den Schalterstellungen 12 und 14 nachmisst.

Die Gitterspannungsquelle wird in Schalterstellung 14 bei -100 V nur mit 100 V / 1002 kOhm = 0,99 mA belastet. Das entspricht 100 V * 0,99 mA = 0,099 W.

Bei angeschlossener Gitterspannungsquelle darf  man den Prüfschalter nicht zurückdrehen. Es kommt sonst zu Konfliktsituationen mit den Schlussprüfungen.

Wie nimmt man nun eine Kennlinie auf?
Für Röhren kann man unterschiedliche Kennlinien aufnehmen. Wir sprechen hier nur über die Ug-Ia-Kennlinie bei Verstärkerröhren, die uns bei konstanter Anodenspannung die Anodenstromänderung entsprechend der Gitterspannungsänderung zeigt. Es macht Sinn, sich vor der Messung die vom Hersteller vorgegebene (Soll-) Kennlinie zu besorgen. Man findet sie mit etwas Glück in den Datenblättern bei Frank Pocnet.

Kennlinie_ECC83_400

Links seht Ihr die Kennlinienschar der ECC 83. Auf der X-Achse ist die Gitterspannung abgetragen und auf der Y-Achse der Anodenstrom. Beide Systeme haben die gleiche Charakteristik.

Sechs verschiedene Kennlinien sind eingezeichnet. Sie wurden bei unterschiedlichen Anodenspannungen aufgenommen.

Wer die Kennlinie seiner ECC 83 mit der konzeptionell vorgegebenen Kennlinie vergleichen möchte benötigt also eine Konstantspannungsquelle von 50, 100, 150, 200, 250 oder 300 V. Das W19 kann uns da nur teilweise helfen. Es stellt 100, 150 und 200 V zur Verfügung. Für einen Versuch wähle ich 150 V, weil diese Spannung durch den Glimmstabilisator einigermaßen konstant gehalten wird.

Wie man sieht, muss die Gitterspannung einen Bereich von circa -2,3 bis 0 V durchlaufen. In diesem Fall sind die Anforderungen an die Gitterspannungsquelle gering.

Die Kennlinienschar der ECC 83

Im folgenden Versuch verwende ich als Gitterspannungsquelle ein Steckernetzteil, in das ich ein Potentiometer eingebaut habe. Die Gitterspannung führen wir über die Buchsen G1 und K der ECC 83 zu. Bitte achtet auf die korrekte Polung. Wenn das Gitter eine positive Spannung erhält, steigt der Anodenstrom stark an. Das Instrument ist gefährdet.

Rechts seht ihr die Prüfstiftpositionen für die Aufnahme der 150 V  Kennlinie.

 

Prüfstiftpositionen

Anode

2

Gitter

9

Katode

13

Heizung 1

38

Heizung 2

46

Anodenspannung 150 V

53

Messbereich 5 mA

69

Negative ext. Gitterspannung

Buchse G1

Nullpunkt ext. Gitterspannung

Buchse K

Und nun geht’s los. Wir setzen die Prüfstifte ein und stellen die Gitterspannung mit einem Multimeter auf 0 V ein. Das Instrument zeigt uns den Anodenstrom an. Den Wert notieren wir am besten in einer Excel-Tabelle. Ein Muster findet Ihr hier. Nun verringern wir die Gitterspannung um 0,1 V und notieren wieder den angezeigten Anodenstrom.

Und so geht das weiter, bis der Anodenstrom 0 mA erreicht. Ihr könnt auch Schritte von -0,2 V oder mehr machen. Die Genauigkeit leidet natürlich darunter.

Hier ein Foto der Versuchsanordnung. Ich messe mit dem linken Multimeter die Gitterspannung; mit dem rechten beobachte ich die Anodenspannung.

Messung_820

Versuchsaufbau zur Aufnahme einer Kennlinie

Kennlinie_ECC83_820

Schauen wir uns das Ergebnis einmal an. Links seht Ihr den Anodenstrom in Abhängigkeit von der Gitterspannung. Bei 0 V erreicht der Anodenstrom circa 3,3 mA was genau dem Datenblatt entspricht.

Entscheidend ist die rechte Graphik. Sie stellt den Verlauf der Anodenspannung während des Versuchs dar. Ihr seht, dass die Anodenspannung kontinuierlich fällt je höher der Anodenstrom wird. Das Gleichstromnetzteil des W19 ist absolut nicht in der Lage, eine konstante Spannung zu liefern. Und wir reden hier über weniger als 5 mA. Wie soll das erst bei Endstufenröhren aussehen? Ich habe es gar nicht erst probiert. Näheres zur Konstanthaltung der Anodenspannung findet ihr Im Kapitel “Messreihen mit Glimmstabilisatoren”.

Also so funktioniert das nicht. Vermutlich wusste Max das und hat die Kennlinienaufnahme beim W19 nicht propagiert.

Mit einem Zusatzgerät können wir aber eine sehr konstante Anodenspannung und ggf. Hilfsgitterspannung erzeugen. Dieses Gerät liefert uns auch die erforderliche Gitterspannung.

Die Idee besteht darin, das Gleichstromnetzteil durch eine leistungsfähige regelbare Konstantspannungsquelle zu ersetzen. Das Gerät kann auf den Kreuzschienenverteiler aufgesteckt werden. Wer ein Röhrennetzteil besitzt kann auch dieses hierfür verwenden.

Baustelle_200